Bericht über einen Forschungsaufenthalt an der Universität in Newcastle upon Tyne vom 11. April bis 27. Mai 2011
Freitag, 9. Dezember 2011
Die allogene Stammzelltranplantation mit passenden Stammzellen vom Fremdspender stellt für einige
gut- als auch bösartige Erkrankungen der Hämatologie eine Therapie mit der Aussicht auf Heilung dar.
Leider kommt es in 30 – 80 % der Fälle zum Auftreten einer typischen Komplikation nach
Stammzelltransplantation, der sog. Graft-versus-Host Disease (GvHD): Dabei handelt es sich um eine
Art „umgekehrter“ Abstoßungsreaktion, da Gewebe und Organe des Patienten durch Zellen des
transplantierten Immunsystems angegriffen werden. Wenn eine GvHD auftritt, ist dies mit einer deutlich
erhöhten Sterblichkeit sowie mit einer reduzierten Lebensqualität der betroffenen Patienten verbunden.
Eine möglichst gute und Erfolg versprechende Therapie gehört jedoch noch immer zu den
Herausforderungen in der Medizin.
Die klassischen Organe die im Falle dieser Abstoßungsreaktion (GvHD) betroffen sind, sind die Leber,
der Darm und die Haut. Beim Auftreten einer GvHD sieht der Goldstandard zur Therapie nach wie vor
den Einsatz starker, das Immunsystem hemmender Medikamente wie z.B. von Glukokortikoiden vor.
Deren Anwendung ist jedoch nicht selten mit Nebenwirkungen wie erhöhtem Infektionsrisiko,
Blutdruckanstieg, Stoffwechselstörungen wie Blutzuckerentgleisung, osteoporotischer Knochenabbau
oder einem starkem Abbau der Muskelmasse verbunden.
Ein neuer Therapieansatz wurde mit der Beschreibung sog. regulatorischer T Zellen erstmals in den
90er Jahren beschrieben. Es handelt sich hierbei um körpereigene Abwehrzellen, die für die
Aufrechterhaltung der Selbst-Toleranz eines Organismus verantwortlich sind. Sie stehen für einen
Ansatz der sog. immunomodulierenden Therapie, die wesentlich schonender in das immunologische
Ungleichgewicht der GvHD-Situation eingreift.
Genau mit der Idee der Immunmodulation erfolgte in einem Heilversuch bei Patienten mit chronischer
GvHD der Lunge in unserer Klinik die Therapie mit dem Medikament Interferon gamma. Diesem
körpereigenen Botenstoff des Immunsystems wird die Möglichkeit einer immunmodulierenden Wirkung
zugesprochen z.B. über die Generierung von oben besagten regulatorischen T Zellen. In der Tat kam
es bei den behandelten Patienten zur klinischen Verbesserung der GvHD-Symptomatik ohne ein neues
Auftreten von Zeichen einer Abstoßungsreaktion.
Im aktuellen Projekt sollte nun der Frage nachgegangen werden, inwieweit der Botenstoff Interferon
gamma einen immunmodulierenden Effekt hat und folglich zu einer Verbesserung der GvHD beitragen
kann.
Wir entschieden uns im Rahmen des Projektes für die Verwendung des sog. „Skin explant assay“ eines
in vitro Modells der menschlichen Haut-GvHD, das von der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Anne Dickinson
am „Institute of cellular medicine/ Haematological Sciences“ in Newcastle upon Tyne seit Jahren
etabliert ist und ständig weiterentwickelt wurde (Graphik 1).
Es handelt sich dabei um eine Methode bei der zunächst Blutzellen des Stammzellspenders und des
Patienten in Reaktion gebracht und hierdurch aktiviert werden. Dieses Zellgemisch, das wir als
gemischte Lymphozytenreaktion (MLR) bezeichnen, wird nach 7 Tagen im Reagenzglas auf ein Stück
Hautprobe des Patienten gegebenes. Nach 3 weiteren Tagen lässt sich in einer feingeweblichen
(histologischen) Untersuchung der Hautprobe eine deutliche Reaktion unter dem Mikroskop
verzeichnen (Graphik 2).
Um die zu Grunde liegende Arbeitshypothese, ob der Botenstoff Interferon gamma eine Wirkung auf
dieses immunologischen Ungleichgewicht hat zu untersuchen entschieden wir uns für mehrere
experimentelle Versuchsansätze. Hierbei ist das konkrete Ziel eine Idee davon zu bekommen ob die
GvH-Reaktion an der Haut histologisch direkt durch die Zugabe von Interferon gamma beeinflusst wird
und inwieweit sich eine Aktivierung von immunmodulierenden Stoffen in den gewonnenen
Zellüberst.nden nachweisen lässt. Um diese Methode zu erlernen und erste Experiment
durchzuführen, flog ich am 11. April 2011 für die Dauer von knapp zwei Monaten nach Newcastle upon
Tyne. Im dortigen Labor der Universität werden ein bis zwei der beschriebenen Versuchsansätze pro
Woche durchgeführt. Die ersten beiden Wochen dienten vorwiegend meiner Einarbeitung im Labor. In
den folgenden Wochen konnte ich insgesamt neun der oben kurz beschriebenen Experimente
durchführen.
Während des Aufenthaltes war es das Ziel, zusätzlich eine weitere Methode zur Erforschung von
Zusammenhängen der Immunologie bei einer Haut-GvHD zu erlernen, nämlich die Isolation
verschiedener Subpopulationen sog. Antigen präsentierender Zellen (APC) der Haut. Hierbei handelt
es sich um Zellen des angeborenen Immunsystems. Es ist bekannt, dass diese Zellen durch
Präsentation körpereigener Proteine an der Zelloberfläche wesentlich zur Aktivierung von T
Lymphozyten beitragen. Diese aktivierten T Zellen sind wiederum für die Gewebeschädigung beim
Patienten verantwortlich. Unsere Haut dient dem Körper als Barriere gegenüber einer Vielfalt an
schädlichen Umwelteinflüssen. Sie ist aus unterschiedlichen Schichten aufgebaut, aus denen wir
getrennt die APCs isolieren und auf ihre Funktion untersuchen wollten. Wir vermuten nämlich
unterschiedliche Funktionen der verschiedenen APC-Populationen der Haut und damit unterschiedliche
modulierende bzw. aktivierende Einflüsse auf eine GvH-Reaktion. Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr.
Matthew Collin hat als erste eine Methode zur Isolation der verschiedenen APC-Subpopulationen der
Haut in Newcastle upon Tyne etabliert. Hierbei wir Haut von plastisch-chirurgischen Eingriffen in
enzymatischen Verdauungsschritten zunächst in ihre Schichten getrennt und im Folgenden die Zellen
in einem zweitägigen Verfahren durch weitere Enzyme, Filtrierungsschritte und maschineller Zell-
Sortierung in die verschiedenen Untergruppen aufgetrennt. Hierdurch ist es möglich die gewonnen
Zellen mittels unterschiedlicher Versuchsansätze auf ihre Funktion zu analysieren. Im Laufe meines
Aufenthaltes war es mir möglich bei drei Hautaufarbeitungen zur Isolation von APCs dabei zu sein und
diese Methode zu erlernen.
Zusammenfassend ist zu berichten, dass es mir im Laufe meines Forschungsaufenthaltes in Newcastle
upon Tyne möglich war zwei neue Methoden zu erlernen, um die immunologischen Zusammenhänge
der GvH-Reaktion besser zu untersuchen. Zwischenzeitlich konnten beide Methoden erfolgreich an der
Universitätsklinik in Regensburg etabliert werden und es wurden erste Ergebnisse gewonnen.
Aufbauend auf diesen gilt es nun die Wirkung von Interferon gamma weiter zu analysieren und weitere
Strategien zur Immunmodulation zu entwickeln.
An dieser Stelle gilt mein besonderer Dank der Carsten Bender Leukämie Stiftung, die durch ihre
finanzielle Unterstützung meinen Aufenthalt an der Universität in Newcastle upon Tyne und somit die
Grundlage für die Durchführung dieses Projekts möglich gemacht haben.